ZEN-Meditationstag - 24notes
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ZEN-Meditationstag

Ein Blick nach Innen. Einen ganzen Tag lang schweigen und dabei abwechselnd meditierend sitzen und meditierend schreiten. Dies wollte ich am eigenen Leib, an der eigenen Seele selbst erspüren. Also meldeten wir uns für einen Meditationstag bei der Schule für Yoga und Meditation in Biberach an. Bewusst wollten wir keine Erwartungen an diesen Tag stellen, um unsere Erfahrungen des Tages nicht vorab zu beeinflussen. Allein, so richtig gelang uns das nicht. Letztlich schwirrten doch ein paar Gedankensplitter in unseren Köpfen umher: Wie lange wird sich der Tag anfühlen? Wird es schwierig sein, das Schweigen einzuhalten?

ZEN ist Praxis

Aber erst einmal noch ein Blick auf die Hintergründe. Was verbirgt sich hinter dem Begriff ZEN und worum geht es da? Ausführlicheres dazu ist in unserem Blogbeitrag ZEN – der Versuch einer Erklärung nachzulesen. Hier also nur ganz kurz:

Worauf es bei ZEN stets ankommt, ist nicht die Lehre, sondern die Praxis. Und diese besteht hauptsächlich aus der Ausübung von Zazen (Sitzmeditation), Kinhin (aufmerksames Schreiten) sowie die Rezitation von spirituellen Texten. Darüber hinaus beinhaltet ZEN noch Samu, das aufmerksame (alltägliche) Tätigsein und die Beschäftigung mit Koans. Koans sind – salopp gesagt – ZEN-Denksportaufgaben, die in meist paradoxen Anekdoten versteckt liegen.

Die Tagesstruktur des Zen-Meditationstages berücksichtigte alle diese Aspekte, wenn man von der Arbeit mit Koans absieht.

Der ZEN-Meditationstag und  seine Tagesstruktur

5:30 Uhr Tee und Beginn mit dem Schweigen
6:00 Uhr Tönen + Rezitation (ca. 10 min), Kinhin (ca.5 min), Zazen (ca. 20 min), Kinhin, Zazen
8:00 Uhr Frühstückspause und Zeit für Dienstverrichtung
9:30 Uhr Rezitation, Kinhin, Zazen lang (ca. 35 min), Kinhin, Zazen lang, Kinhin, Zazen lang
12:00 Uhr Mittagspause & Tee, Zeit für die Dienstverrichtung
13:30 Uhr Zazen, Kinhin, Zazen, Kinhin, Zazen
15:00 Uhr Teepause, Zeit für Dienstverrichtung
16:30 Uhr Zazen, Kinhin, Zazen, Kinhin, Zazen
18:00 Uhr Abendessen
19:00 Uhr Zazen, Kinhin, Zazen, Rezitation
20:00 Uhr Ende – es darf wieder geredet werden

ZEN fordert diszipliniert frühes Aufstehen

Es begann am Samstagmorgen mit einem ungewohnt frühen Erwachen. Bereits um 4:40 Uhr klingelte der Wecker. Die Zeit reichte gerade so fürs Zähneputzen und einmal mir den Händen durch die Haare fahren, damit wir nicht allzu sehr nach Bett aussahen. Dann fuhren wir schon los. Während der Fahrt sprachen wir wenig, nicht etwa weil wir uns auf das Schweigen einstimmen wollten. Nein, schlichte Müdigkeit war der Grund.

Im Dunkel betraten wir die Räume der Yogaschule und grüßten die bereits Anwesenden mit einem  Kopfnicken. Bei einer dampfenden Tasse Ingwer-Tee warteten wir vor dem Zendo auf den Beginn der ersten Meditationsrunde. Diese begann mit Tönen der heiligen Silbe OM – eine Praxis von der wir nicht sicher wissen, ob sie tatsächlich im ZEN verwurzelt ist. Wie auch immer, zumindest war es eine zutiefst sinnliche Einstimmung: das Auf- und Abschwingen der vielgestaltigen Stimmlagen von tiefen Bässen, glockenklarem Sopran und ungezählten Zwischenlagen.

Aufmerksam sein, aber mit KEINEM Gedanken.

Die anschließende Rezitation von spirituellen Texten bot hingegen Gedankenanstöße, die es schwierig machten, während des ersten Schreitens (Kinhin) für Ruhe im Kopf zu sorgen. Allein aufmerksam zu gehen – um nichts mehr ging es hier – fokussierte die Gedanken mit der Zeit in genügendem Maß. Beim ersten meditativen Sitzen (Zazen) waren die Gedanken also schon mal ruhiger. Im Meditationssitz ausdauernd sitzen und möglichst an „nichts“ denken. Aufmerksam sein, aber mit KEINEM Gedanken. Leicht geschrieben, aber sehr schwierig in der Praxis. Eine Übung, die uns unterschiedlich gut gelang, Natascha ist wesentlich meditationserfahrener.

Draußen eroberte das Licht den Tag und schon signalisierte die Klangschale das Ende der ersten Runde, das war ja leicht!  Frühstück und Dienstverrichtung gingen ebenso leicht von der Hand, nur für unvermeidbare Absprachen wurde das Schweigen in leisen Worten kurz gebrochen. Die nach den Samu-Diensten verbliebende Zeit nutzen wir für einen Spaziergang im Freien und ein kleines Nickerchen.

Alles ist eins: leicht und schwer.

Inspiriert von der Leichtigkeit der ersten Meditationsrunde gingen wir zuversichtlich in die Zweite. Rezitation und Kinhin gingen erwartungsgemäß flüssig vorüber. Gänzlich anders zeigte sich die lange Sitzmeditation, die geschätzt in etwa 35 bis 40 Minuten gedauert haben dürfte. Das Sitzen begann zu schmerzen: es schmerzte in den Beinen, in der Hüfte und das Genick wollte das Gewicht des Kopfes nicht mehr klaglos tragen. Die Füße schienen ihre Zugehörigkeit zum Körper aufgeben zu wollen. Erst kribbelten sie, später waren sie so gut wie nicht mehr zu spüren. Der Verstand bettelte förmlich in einem innerlichen, stummen Aufschrei, den Körper endlich aus dieser Zwangshaltung zu entlassen. Oder vielleicht sollte es mindestens möglich sein, unauffällig die Zehen oder den Kopf zu bewegen, damit die Schmerzen leichter würden. Wurden sie aber nicht. Gedanken kamen und gingen, nur ein Gedanke blieb: WAS um Himmelswillen soll das hier – ich möchte sofort hier raus.

Betrachte das, was „da“ ist.

Das Betrachten des Körpers was „da“ ist, half da nicht wirklich weiter. Im Gegenteil, da verdichtete sich nur die Anschauung des Schmerzes bis hin zur scheinbaren Unerträglichkeit. Hilfreicher hingegen war die Konzentration auf die Atmung. Aber nur, wenn wir die Atemzüge zählten. Das gab dem Verstand eine Aufgabe und eine Struktur der Zeit. Andere Gedanken blieben weitgehend aus.

Das Kinhin, das achtsame Schreiten, das das Sitzen für wenige Minuten unterbrach, war für den Körper wie für die Seele stets eine willkommene Befreiung. Dasselbe galt auch für die Mittags- und Teepause; beide Unterbrechungen ließen genügend Raum und Zeit, Kraft für die folgenden Meditationsrunden zu schöpfen. Nachdem die drei langen Zazens überstanden waren, fühlten wir uns bereit, den vergleichsweise einfachen Rest des Tages mit weiteren acht Sitzzeiten von etwa 20 Minuten je Einheit zu bewältigen. Im Zendo wurde es mit der hereinbrechenden Dämmerung langsam Dunkel und die Geräusche des Tages gingen zurück, die Ruhe blieb. Der letzte Schlag auf die Klangschale beendete das letzte Zazen und das Schweigen wurde aufgehoben. Der ZEN-Meditationstag hatte sein Ende gefunden. Allein, keiner und keine wurde deswegen laut. Es wurde nur leise und sehr bewusst geredet.

Fazit Dieter

Ich war sehr erstaunt, wie leicht mir das ganztägige Schweigen fiel. Damit hatte ich nicht gerechnet. Der Tag war klar durchstrukturiert und so gab es auch wenige Gründe zum Reden. Noch größer war jedoch meine Überraschung, als ich erkannte, wie schwer mir das lange Sitzen fiel. Es hat mich große Kraft gekostet, in der Meditationshaltung zu bleiben und möglichst wenig zu zappeln. Während der zweiten langen Sitzmediation begann ich mit dem Zählen meiner Atemzüge. Ich ging von der Annahme aus, dass ich ungefähr 6 Atemzüge pro Minute mache…am Schluss wusste ich, dass zumindest die Dauer des kurzen Zazens etwa auf 140 Atemzüge begrenzt war. Ob diese Art Strukturgabe nun der ZEN-Philosophie gerecht wird, lasse ich mal offen. Dagegen waren der Kampf gegen ein Jucken irgendwo am Körper sowie ein sich anbahnender Niesreiz harmlos. Nach dem ersten langen Zazen wollte ich nur noch irgendwie weg. Alles, nur nicht nochmal sitzen. Mein Empfinden der Zeit war interessant: Während der Sitzmeditation schien sie unendlich in die Länge gedehnt; dennoch ging der ganze Tag erstaunlich schnell vorüber. Allerdings gelang es mir so gut wie nicht, meine Gedanken im Kopf abzuschalten. Es schwirrte immer etwas umher. Meine innere Mitte zu finden blieb mir also versagt. Vielleicht ist sie bei mir einfach zu klein und deshalb besonders schwer zu finden, wer weiß.

Würde ich an einem weiteren Meditationstag teilnehmen wollen? Für mich ein VIELLEICHT.

Fazit Natascha

Das Sitzen hat mich nicht so stark in Anspruch genommen wie Dieter. Jedoch hatte auch ich die Tage darauf mit Muskelkater zu kämpfen. Da ich schon 2 Tage später wieder im Yoga war, wurde dieser davon überlagert.
Es gelang mir, meine Gedankenwelt zur Ruhe zu bringen und während des Zazens wenigstens eine Zeit lang an nichts zu denken.
Das Beste am Meditationstag war, dass durch das vollkommene Schweigen keiner irgendwelche Ansprüche an mich stellen konnte. Ich fühlte mich weit aus dem Alltag herausgenommen. Als dreifache Mutter eine fast unwirkliche Situation.
Daneben erkannte ich, dass ich mit den körperlichen Unannehmlichkeiten durch das lange Sitzen und dem inneren Kampf dagegen besser abschließen konnte, allein dadurch, dass ich es nicht durch Reden  mit anderen wieder neu im Geist durchleben konnte. Das ganztägige Schweigen viel mir zwar nicht leicht, aber ich konnte es dennoch positiv für mich aufnehmen.

Würde ich an einem weiteren Meditationstag teilnehmen wollen? Für mich ein klares JA.

(Foto: Unsplash.com)

Wie sind eure Erfahrungen mit ZEN-Meditation? Fällt sie euch schwer? Wenn ja, wie meistert ihr die Schwierigkeiten? Wie integriert ihr das ZEN ins tägliche Leben?

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