27 Apr Not the only gay in the city
Ein Foto-Herzens-Projekt von Carsten Bruhn
Ein gutes Foto-Projekt ist eines, das langsam wächst und das einem als Mensch und Fotografen nah am Herzen liegt. Daher habe ich mich längere Zeit mit der Themenwahl meines ersten größeren Fotoprojekts beschäftigt.
Wobei schnell klar war, dass es ein queeres Thema sein würde. Als schwuler und queer engagierter Mann lag das nah. Mir ist es wichtig, dass das Thema der Akzeptanz von und Toleranz für queere Lebensformen in der Öffentlichkeit präsent ist und bleibt; gerade angesichts der zunehmenden Homophobie in Europa und weltweit. Die Sichtbarkeit queeren Lebens ist dafür unabdingbar.
Die Frage nach einem „schwulen Ort“ stellte sich mir. Gibt es ihn überhaupt? Was macht ihn aus? Ist er heute noch relevant? Ist er für Jung und Alt verschieden? Ist es nur ein Ort, an dem sich die LGBT+-Community trifft? Oder ein sichtbares Symbol für den Slogan „We’re here, we’re queer!“? Oder hat jeder schwule Mann seinen ganz individuellen schwulen Ort, abhängig von der eigenen Sozialisation und Biographie, von der eigenen Identitätsfindung?
Ich habe schwule Männer gefragt:
Was ist ein prägender Ort deiner schwulen Biographie?
Männer verschiedener Altersgruppen und Herkünfte, die meisten von ihnen heute in Hamburg zu Hause, haben mir ihre Geschichten erzählt. Geschichten ihres Coming-Outs, ihrer Selbstfindung als schwuler Mann, Geschichten von Angst und Mut, von Unterdrückung, Verdrängung und Befreiung. Die Teilnahme an meinem Fotoprojekt ist für sie auch Ausdruck ihrer Selbstdarstellung als schwuler Mann, ist gleichsam visueller Ausdruck von Pride. Und ihres Wissens und ihrer festen Überzeugung: Sie sind nicht allein, they are most certainly
Not the only gay in the city!
Falko
Mein Schrebergarten ist für mich ein Ort der Ruhe und des Rückzugs. Die Nachbarinnen und Nachbarn gehen völlig normal mit meinem Mann und mir um, und jeder Druck fällt von mir ab. Noch vor wenigen Jahren hätte ich mir nicht vorstellen können, dass Schwulsein dermaßen uninteressant für andere Menschen sein kann. Hier bin ich noch nicht einmal mehr der „bekennende Homosexuelle“, sondern einfach nur Kleingärtner und Nachbar. Ich versuche jede freie Minute hier zu verbringen.
Nik
Als ich 1994 frisch aus Wien in Hamburg ankam, habe ich viel in verschiedenen Bars auf St. Pauli gearbeitet. Das „Camelot“ war damals der Ort, an dem ich mich als Ausgleich zur Arbeit richtig austoben konnte, um den Kopf auszuschalten. Hier habe ich mich frei gefühlt. Ich brauchte damals die schwule Szene, um selbstbewusster zu werden. Das „Camelot“ schloss 1999 seine Pforten, aber ich denke gern an diese Zeit.
Norbert
Das Bett als Ort schwuler Identitätsbildung – ist das nicht zu platt? Nein! Das Bett steht für Sexualität und für Sex – und die gehören ja auch zum schwulen Leben. Ich habe so viele tolle Männer kennengelernt, wunderbare Begegnungen gehabt; und klar – ganz viel meiner schwulen Identität auch im Bett ausgelebt und entwickelt. In der heutigen Zeit spielt sich das schwule Leben ja ganz stark in der virtuellen Welt ab. Da sitzt man dann im Bett und hat den Laptop vor sich … Strange new world!
Sascha
Ich habe früh mein Elternhaus verlassen und bin in eine WG mit meinem damaligen Freund gezogen. Nach acht Jahren Beziehung hat er sich von mir getrennt und ich zog in diese Wohnung in Eidelstedt. Hier wohne ich allein und genieße zum ersten Mal wirkliche Unabhängigkeit und Selbstbestimmtheit. Ich kann hier Männer treffen, frei und ungezwungen mein eigenes Leben leben. Diese Freiheit symbolisiert auch mein Balkon im 6. Stock, von dem aus ich den weiten Blick über die Dächer Hamburgs genieße.
Mehr zu diesem Projekt findest Du auf meiner Webseite Carsten Bruhn Photography
Die Fakten sind schnell erzählt: Geboren 1965 in Kiel, 2001 Umzug nach Hamburg, seit 2013 verheiratet mit meinem Mann.
Es gibt mein Leben als Lehrer, immer Vollzeit und voller Energie und Leidenschaft für diesen Traumberuf.
Und es gibt mein Leben als Fotograf. Amateur und Autodidakt. Hobby, aber dennoch mit gleicher Energie und Leidenschaft betrieben und verfolgt wie meinen Beruf. Ich sehe durch die Linse, ob mit oder ohne Kamera. Architektur und alltäglich Schönes, schwarz-weiß und farbig – alles war und ist dabei. Aber immer stärker begeistert mich die Menschenfotografie, das Portrait, die Darstellung des Mensch-Seins, des (oft allzu) Menschlichen. Mal gestellt und inszeniert, mal heimlich und spontan. Oft queer und divers. Immer dem Menschen verpflichtet, voller Respekt und Zuneigung in der Präsentation.
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