Jam session - 24notes
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Jam session

Endlich München! Neun Stunden Flug und nur noch drei bis zum Dreh in Ismaning. Immer dieser Stress.

Jack stand am Ausgang des Terminalgebäudes und suchte nach Bill, der ihn abholen sollte. Fehlanzeige. Er kramte nach seinem Handy.

SMS an Bill: WO BIST DU?

Also warten.

Seine Gedanken flogen zu Isabelle. Er fühlte sich down. Am Telefon war sie so kühl, so unnahbar.

„Hey Jack! Wie geht’s?“ Überrascht drehte sich Jack um und sah in die blauen Augen seines Freundes Bill. Jack boxte ihn jovial auf die Schulter. „Mann, bin ich froh, dass du da bist, hab nur noch drei Stunden. Würde gerne kurz in meine Wohnung.“

Rasch stiegen beide in Bills alten, verrosteten Volvo, dessen ursprüngliche Farbe kaum mehr zu erkennen war, und fuhren los.

„Hast die Sache in Boston gut zu Ende gebracht?“, wollte Bill wissen.

„Das Scheißwetter hätte den Dreh fast versaut, dann wäre Essig gewesen mit dem Film. Voll Low Budget. Kamerateam ist zweimal abgehauen, weil die nicht gezahlt haben. War ne echte Eintagsfliege, wie das halbe Jahr Vertretung am Theater in Berlin. Jetzt eben Werbung, für Strawberry Jam. Picknickidylle! Biederkeit pur! Mancher macht ja bis zur Rente nix anderes. Wenigstens dreh ich mit Isa. Mann, freu ich mich, sie zu sehen.“

Bill wurde stutzig. „Ich dachte, die Sache mit Isa sei Geschichte.“

Bills Worte bohrten sich in Jacks Seele. „Wie kommst denn da drauf?“

„Weiß nicht, macht gerade auf große Diva. Hey, sind schon da, kein Parkplatz. Du, warte im Wagen auf dich.“

Jack betrat das Wohnhaus. Der vertraute Mief des alten Treppenhauses gab ihm sogleich das Gefühl, zu Hause angekommen zu sein. Beschwingt ging er die knarrende Holztreppe hoch in den dritten Stock. Seine Stimmung kippte sofort, als er das Siegel des Gerichtsvollziehers an seiner Wohnungstüre fand. Wut stieg in ihm empor. Mit Wucht schlug er die Faust gegen die verschlossene Tür.

„Fuck! Wieso denn das?“ Jack schrie sich den Ärger von der Seele. „Das kann doch nicht sein!“ Vor Anspannung zitternd setzte er sich auf die Treppe, mahnte sich zur Ruhe, doch seine Gedanken liefen Sturm. „Warum hat Isa nichts gesagt …“ Bill kam die Treppe hoch und sah sofort, was los war.

„Das klären wir später. Komm jetzt, wir müssen los!“

Bill fuhr mit Jack und dem Volvo nach Ismaning, hielt vor dem Studio, gerade als auch Isabelle dort ankam.

„Hi Jack, müde, was? Jetlag?“

Jack fühlte sich verstimmt und erfreut zugleich. „Isa, hi, tut gut dich zu sehen!“ Er versuchte, sie zu küssen. Sie bot ihm nur die Wange für einen flüchtigen Kuss. Jack war irritiert, und doch fiel ihm Isabelles neuer BMW Z4 auf. „Schatzi, wie das denn? Neuer Schlitten?“

„Nenn mich nicht so! Los, komm jetzt, wir sind knapp in der Zeit für den Dreh!“

Kein Kommentar. Umkleiden, Schminken, alles Routine. Am Set: Picknickaccessoires auf Kunstrasen mit dem lecker Strawberry Jam. Sonst alles Bluebox. Setze mich zu Isa auf den Rasen. Mein Handy klingelt.

„Mensch Jack, mach das Scheißding aus!“

Sage nichts. Drücke den Anruf weg. Wieder Handyklingeln, diesmal bei Isabelle.

„Hi Adrian, Darling, schön dich zu hören …“ Sie erhob sich vom Rasen und trat ein paar Schritte zur Seite. Jack war fassungslos.

Erst die Sache mit dem Gerichtsvollzieher und nun das. Dieser neureiche Adrian! Lackaffe! Werbefuzzi! Jetzt tippt die seelenruhig ein SMS! Mann, die hat Nerven! Jacks Handy vibriert.

SMS von Isa: ADRIAN ICH LIEBE DICH, NICHT JACK. DER IST EIN VERSAGER UND SOWIESO PLEITE.

Huh, war wohl nicht für mich gedacht! Komme auf hundertachtzig – mein Hals meterdick. Werfe das Glas Strawberry Jam mit voller Wucht auf den Boden. Muss raus. Schnappe mir den Schlüssel des Z4 aus der Gardarobe. Wow, der hat Power!

Schalte mein Handy wieder ein. Die Mailbox.

„Jack, ich bin’s, Bill. Good news: Sind ab nächster Saison zusammen am Theater in Berlin! Am Kudamm! Fest! Und du ab sofort, wenn du kannst, die haben nen Ausfall wegen Burnout! Ruf zurück zum Details abchecken.“

Noch ein SMS von Isabell: DU VERDAMMTER LOSER.

Kurze Antwort: JAM SESSION GEPLATZT.

Mann, kann das Leben schräg sein.

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