02 Feb Es lebe der Zentralfriedhof
Vor einigen Jahren fuhr ich Anfang Januar nach Wien, primär zu einem Ausstellungsbesuch. Die Hotelpreise waren zu dieser Jahreszeit etwas günstiger. Ich hatte Zeit, also habe ich noch zwei Tage drangehängt und mir dort auch anderes angesehen. Unter anderem machte ich einen Rundgang über den mittlerweile legendären Wiener Zentralfriedhof. Genau jenem Ort, dem Wolfgang Ambros im Jahr 1974 zum hundertjährigen Jubiläum ein musikalisches Denkmal gesetzt hat. Zusammen mit seinem Künstlerkollegen Josef Prokopetz. Dem Lied nach gab es dort anscheinend so etwas wie den größten Totentanz aller Zeiten. Na ja, die morbide Ader kommt hier schon ganz gut durch – so wie es sich für einen richtigen Wiener gehört.
Friedhöfe – besondere Orte
Spass beiseite. Friedhöfe haben mich immer schon angezogen – eben weil sie viele Geschichten eines bestimmten Ortes erzählen. So besuchte ich auch vor langer Zeit den Friedhof „Père Lachaise“ in Paris…oder auch einen Kleinstadtfriedhof in Saverne im Elsass Die Namen auf den Grabsteinen dort klangen die meisten recht deutsch.
Also fuhr ich mit der Straßenbahn raus nach Simmering und betrat das riesige Areal. 330 000 Gräber soll es dort geben. Es lag Schnee und anfangs lief ich ganz einfach auf den Wegen zwischen den zahllosen Gräbern. Nur wenige Leute waren an diesem Tag unterwegs. Meine Kamera hatte ich mit dabei, damit ich trotz des schlechten Wetters ein paar Aufnahmen machen konnte. Irgendwann begegnete ich einigen Friedhofsgärtnern. Man schaute sich ins Gesicht und grüßte sich. Dann kam, was kommen musste. Einer der Männer fragte mich: „Jo, suachans dös Grob vom Falco?“ Na ja – ich konnte mir ein leichtes Grinsen nicht verkneifen. Klar, hier kommen mitunter Scharen von Pilgern.
…und Falco, der alte Austrorapper
Ich fand ja Falco damals nicht schlecht, aber ich wäre jetzt nicht wegen ihm allein hier hergekommen. Trotzdem nutzte ich die Chance und ließ mir den Weg dahin beschreiben. Und so verwandelte ich mich tatsächlich für ein paar Minuten zum Wallfahrer und marschierte brav zur seiner letzten Ruhestätte. Natürlich habe ich an dieser Stelle auch fotografiert.
Auf so einem großen Friedhof einer Metropole gibt es natürlich immer Gräber von Prominenten. So auch das des bekannten Schauspielers Paul Hörbiger oder das von Franz Schubert und Ludwig van Beethoven. Was ich erst später erfuhr: die Gräber der beiden Letztgenannten wurden umgelegt. Man wollte damit die Akzeptanz der Bevölkerung verbessern. Der neue Friedhof hatte es zu seinen Anfangszeiten bei den Wienern nicht leicht. Unter andrem auch weil er in damaliger Zeit doch recht abgelegen war.
alle haben sie ihre Werke hinterlassen
Aus Respekt gegenüber den Verstorbenen heraus habe ich nur begrenzt Fotos gemacht. Einige davon möchte ich hier zeigen. Friedhöfe sind zwar ein erster Linie die letzte Ruhestätte der Verstorbenen, ich finde aber, dass sie auch einem weiteren Zweck dienen: Nämlich dass man den Verstorbenen hier ein Denkmal setzt. Jeder der Verstorbenen hat hier auf diesem Planeten gewirkt. Ohne sie oder ihn würde es zumindest ein klein wenig anders aussehen. Und es gibt doch nur ganz wenige, deren ganzes Wirken nur Missetat war. Ich erspare es mir hier Beispiele zu nennen.
Wenngleich ich die Fanwallfahrten zum Grab von Falco etwas kitschig finde, so darf doch sein Werk in Erinnerung bleiben. Übrigens: er selbst hat in einigen seiner Songs Denkmäler gesetzt: so z.B. für Mozart, den man seinerzeit in einem Armengrab verscharrt hatte. Und dann gibt es da noch eine recht spannende Sache: „The Sound of Musik“. In Österreich und auch hierzulande wissen nur recht wenige, über was und wen hier der Künstler singt. In Amerika holte der Film gleich mehrere Oscars ein. Mehr möchte ich hierzu nicht sagen. Wer will, der kann ja im Internet recherchieren.
Auf meinen Fotos habe ich ein paar Beispiele festgehalten, bei denen die Grabmale Geschichte und Geschichten erzählen. Von kleinen Unglücken bis hin zu großen Katastrophen wie auch hier in Wien beispielsweise die Nazizeit. Und genau das tun die Gräber nicht nur auf diesem, sondern auf jedem Friedhof. Hier allerdings ist nicht der Dichter gefragt. Wer hier eine Geschichte wieder lebendig machen will, der muss auf die Suche gehen, in Bibliotheken, Archiven oder Ähnlichem. Oder sich zu einer neuen Geschichte inspirieren lassen, ohne dem Andenken an die Toten in die Quere zu kommen. Vieles wiederholt sich ja im Laufe der Jahrzehnte und Jahrhunderte.
Menschen aller Bekenntnissen
Übrigens: der Wiener Zentralfriedhof war und ist eine Begräbnisstätte für Menschen aller Bekenntnisse. Auch wenn die Mehrzahl der Gräber katholisch sind, heißt das nicht, dass was anderes hier weniger „wert“ wäre. Auch im anfangs erwähnten Lied heißt es in einer Strophe “die Pforrer tanzen mit die Huren, und Juden mit Araber“. Keine Übertreibung, genau das würde wohl passieren, wenn die Toten für eine solche makabre Party aus den Gräbern steigen würden.
Mein Tipp
Wer in Wien mehr als nur ein oder zwei Tage Zeit hat, für den lohnt sich ein Ausflug auf den Zentralfriedhof auf jeden Fall. Man erreicht ihn mit den Straßenbahn, für einen Rundgang braucht man schon mindestens eine Stunde Zeit, eher etwas länger. Auch in die Friedhofskirche bzw. Karl Borromäus-Kirche sollte man auf jeden Fall einen Blick werfen, es lohnt sich.
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Geri ist leidenschaftlicher Fotograf mit einem intensiven Blick für verborgene Details. Er arbeitet ausschließlich digital und zeigt seine Arbeiten u.a. auch bei 24notes.
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