04 Apr Modell-Naturen in der zeitgenössischen Fotografie
Seit 22.Februar bereits ist im Kallmann Museum in Ismaning eine ganz besondere Fotoausstellung zu sehen. Für die Bilder, die dort zu sehen sind brauchte es echte Multitalente. Die Fotografien wirken zwar so wie Aufnahmen aus der realen Welt, zumindest auf den ersten Blick. Was aber darauf zu sehen ist, sind Bilder von „Modell-Naturen in der zeitgenössichen Fotografie“. Und damit noch nicht genug. Die Fotografen haben sich hier auch als Modellbauer betätigt und die fotografierten Modelle in filigraner Kleinarbeit selbst gebaut.
Einige der Künstler haben aber auch ihre Modelle in bestehende Landschaften hineingesetzt. Oder haben mehrere Folienschichten übereinandergelegt. Eine Künstlerin hatte sogar die ganz simple Idee, ein Stück gefaltetes Papier zu unterschiedlichen Tageszeiten in unterschiedlichem Licht zu fotografieren.
Die Resultate können sich sehen lassen: entweder entstanden fantastische Landschaften, wie wir sie in etwa aus einem Fantasyfilm kennen, oder das Ganze wirkt täuschend echt. Und einmal mehr stellt sich die Frage: „Zeigen Fotos wirklich immer die Realität?“. Definitiv nein. Einige der in der Ausstellung zu sehenden Fotos zeigen jedenfalls, dass selbst ohne jede Nachbearbeitung am Computer täuschend echte „Fälschungen“ entstehen können.
Modellbauer und Fotografen
Dementsprechend hoch sind die Anforderungen an die Künstler. Handwerkliches und gestalterisches Talent brauchen sie genauso wie fundierte Fertigkeiten als Fotografen. Nach dem aufwändigen Bau der Modelle müssen sie optimal belichtet, bei optimaler Kameraeinstellung aus optimaler Perspektive fotografiert werden. Viel komplizierter als durchschnittliche Produktfotografie. Nur dann wirken die Fotografien mehr oder minder echt. Digitale Nachbearbeitung hat hier nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Diese wäre bei dieser Art von Fotografie auch nur begrenzt einsetzbar.
Wer es wissen will, der gehe einmal ins Deutsche Museum in München und versuche, mit seinem Mobiltelefon oder sogar mit einer guten Spiegelreflexkamera eines der zahlreichen Dioramen zu fotografieren. Ich selbst habe dies einmal in Hamburg im Miniaturwunderland, einer riesigen Modelleisenbahnanlage versucht, wo keine Glasscheibe stört…und bin kläglich gescheitert. Die Bilder sind zwar ganz nett geworden, mehr aber auch nicht. Wer so etwas mal ausprobiert, der bekommt eine vage Vorstellung, welche Herkulesarbeit die Künstler zum Gelingen solcher Fotografien leisten müssen.
Gründe für einen Besuch dieser Ausstellung
Bereits vor drei Jahren habe ich im Haus der Kunst in München eine vergleichbare Ausstellung besucht, über James Casebere (der auch in der jetzigen Ausstellung in Ismaning dabei ist). Ich fand es faszinierend, welch mitunter täuschend echte Fotos nach diesem Prinzip gemacht werden können. Also hat es mich sehr gefreut, dass es hier in der Gegend jetzt wieder eine Ausstellung gibt, bei der gleich die Fotos einer ganzen Reihe ähnlich arbeitender Fotografen gezeigt werden.
Ich selbst habe die Ausstellung bereits zweimal besucht. Es ist spannend, die einzelnen Bilder sich anzusehen. Zum einen um zu sehen, welche verblüffend fantastischen Landschaften und Szenarien hier entstehen können – etwa eine beleuchtete Tankstelle, total zugewachsen mitten in einer Art Urwald. Zum anderen besteht natürlich auch der Reiz, in den Fotografien einzelne kleine Details herauszufinden, bei denen klar wird, dass es sich hier eben nicht um direkt abfotografierte Szenerien handelt. Gerade dies stelle ich mir auch für Kinder als spannend vor. Ein besonderes Highlight der Ausstellung ist der Film „Staging Silence“ des belgischen Künstlers Hans Op de Beeck: dort sind nicht nur tolle, täuschend echte Miniaturinstallationen zu sehen – der Künstler zeigt darin auch, wie er diese entstehen lässt. Dauert etwa 20 Minuten – unbedingt beim Besuch der Ausstellung einplanen.
Fotografie ist Kunst
Darüber wird ja seit langem lebhaft gestritten. Ich selbst bin der Meinung ja, denn selbst bei einfachen Fotos findet ein schöpferischer Prozess statt. Sogar ein Selfie kann also Kunst sein. Erst recht ein Porträt, auch Landschafts- oder Architekturfotografie. Aus gutem Grund pflegen wir auch in unserem Land einen weiten Kunstbegriff, und das ist auch gut so.
Jene Fotos hier in der Ausstellung nehmen selbst in der Fotokunst eine Sonderstellung ein. Abbildungen großer Kunst, die oftmals dann, wenn die Fotos denn fertig sind wieder zerstört wird. Spätestens nach dem Ausstellungsbesuch wird keiner der Besucher mehr abstreiten wollen, dass es sich bei der Fotografie voll und ganz um eine Kunstdisziplin handelt.
Wie kommt man hin?
Das Museum liegt im alten Schlosspark von Ismaning. Man kommt dahin entweder per S-Bahn mit der S8, oder auch von (Studentenstadt) Schwabing aus mit dem Bus 231 bis zur Haltestelle Parkstraße. In der Nähe gibt es noch das Schlossmuseum und die Galerie im Schlosspavillon. Plus eine ganze Reihe guter Restaurants.
Für den Besuch der Ausstellung, plus einiger Bilder des Namensgebers des Museums, dem Maler Hans Jürgen Kallmann (1908 – 1991) sollte man etwa 1 – 1 ½ Stunden einplanen. Wer die Bilder genauer studieren möchte, der kann auch gut und gerne zwei Stunden investieren, ohne dass Langeweile aufkommt.
Bis zum 5.Mai ist noch Zeit dafür.
Die Homepage des Museums https://kallmann-museum.de
Um keine Artikel zu verpassen, kannst Du Dich hier mit mir verbinden: RSS-Feed,Facebook, Twitter
Geri ist leidenschaftlicher Fotograf mit einem intensiven Blick für verborgene Details. Er arbeitet ausschließlich digital und zeigt seine Arbeiten u.a. auch bei 24notes.
No Comments