29 Mrz 111 Orte in München, die Geschichte erzählen
Ein Buch von Rüdiger Liedtke, broschierte Ausgabe, 240 Seiten, Emons Verlag, 3. überarb. Auflage 2013
111 Orte in München, die Geschichte erzählen
111, das ist die magische Zahl, die sich der Emons Verlag auf die Brust geschrieben hat. Diese Buchreihe ist mir wiederholt aufgefallen, als ich verschiedene Museumsshops meiner Wahlheimat München oder in Städten wie u.a. Salzburg, Berlin, Hamburg oder Frankfurt besuchte. Ich habe ein paar Bände kurz durchgeblättert und anfangs dachte ich – als einer der sich für regionale Geschichte und Kultur sehr interessiert – Inhalte dieser Art ständen längst bei mir im Bücherregal. Angefangen vom herkömmlichen München-Stadtführer, einigen Bildbänden und Büchern über das »unbekannte München« sowie – was leider auch zur Stadtgeschichte gehört – über die »Hauptstadt der Bewegung« und die unrühmliche NS-Vergangenheit.
Überraschend
Einmal habe ich mir die Zeit genommen, in einem Buchladen einen der Bände im Taschenformat etwas genauer anzusehen: „111 Orte in München, die Geschichte erzählen“ von Rüdiger Liedtke. Ich war überrascht: Nachdem ich vier der 111 Texte, ausgewählt nach Zufallsprinzip, kurz quergelesen hatte, musste ich feststellen: Über gerade mal eines dieser vier Themen habe ich mehr oder weniger genau Bescheid gewusst (dies war das Massaker während der Olympischen Spiele 1972). Über die anderen drei war ich entweder nur bruchstückhaft informiert, oder hatte noch überhaupt nichts davon gehört. Und das, obwohl ich als Zugereister schon 20 Jahre in München lebe. Dann überflog ich das Inhaltsverzeichnis und stellte fest, dass ich mich mit mindestens drei Viertel der Texte noch ordentlich »weiterbilden« könnte. Schon war das Buch gekauft.
Ein klares Konzept
Wie die anderen Bände der Reihe folgt auch dieser einem bestimmten Gestaltungsprinzip: Jeweils ein Text von der Länge einer Buchseite links und zwei zum Thema passende Fotos auf der rechten Seite daneben. Die Beschreibungen der Orte sind kurz, aber dennoch interessant und informativ, ohne überflüssige Weitschweifigkeit. Auf der zugehörigen Bildseite: Oben ein Schwarzweißbild zum historischen Ereignis, unten ein Bild in Farbe, wie es heute an dem betreffenden Ort aussieht!
Geschichte und Kultur
Beim Durcharbeiten des Buchs kamen mir doch einige Dinge irgendwo bekannt vor, wie z.B. manche der Themen über München während der NS-Diktatur: Natürlich hatte ich zuvor über die Geschwister Scholl oder über Georg Elser gehört. Auch einige der erfreulicheren Dinge waren mir nicht wirklich neu. Beispielsweise die imposante Großhesseloher Brücke über die Isar im Süden der Stadt. Oder auch Kulturevents, wie der Auftritt der Beatles im Circus Krone und die Aufführung des Musicals »Hair«. Allem zum Trotz erfuhr ich zu diesen Themen aus dem Buch noch einiges, was ich zuvor nicht gewusst hatte. So zum Beispiel, dass die ehemalige Musicalspielstätte – das ehemalige »Theater an der Brienner Straße« – sich genau da befand, wo heute das ebenfalls angesehene Münchener Volkstheater steht.
Dann sind da eine ganze Reihe von Namen und Geschichten, die mir bis dato völlig unbekannt waren, wie z.B. die Geschichte der Adele Spitzeder und ihre Machenschaften. Auch wenn ich natürlich schon lange weiß, dass München die „nördlichste Stadt Italiens“ ist, so habe ich von der Existenz eines Friedhofs für italienische Kriegsopfer im Waldfriedhof zuvor noch nie etwas gehört.
Skurriles
Und dazu liest man in diesem Band einige fantastische, aber wahre Geschichten, die wahrscheinlich nicht nur mich vom Hocker gehauen haben. Da gab es tatsächlich mal an der Leopoldstraße stadtauswärts, kurz vor dem Petuelring, den ultimativen Vergnügungstempel „Schwabylon“. Eine Art Flower Power Pyramide mit Boutiquen, Restaurants, Eisbahn, Schwimmhalle und noch einigem mehr. Und das „Yellow Submarine“, ein dreistöckiges Nachtlokal mit einem Mega Wassertank, in dem 30 lebendige Haie umherschwammen, die man durch Bullaugen beobachten konnte! Nein, kein Fantasiegespinst aus einem James Bond Film, sondern ein dekadenter Riesenbunker mit kurzer, spektakulärer Historie: 1973 Eröffnung mit viel Pomp. Der Erfolg aber ließ auf sich warten und die Pleitegeier rochen den Braten schnell. Etwa ein Jahr später war der „Spuk“ mit dem Schwabylon zu Ende und der Palast machte dicht und wurde ein paar Jahre später abgerissen.
Jazzclub a.D.
Weiter stadteinwärts auf der Leopoldstraße gibt es eine heute eher unscheinbare Spielhalle, in der früher einmal das „Domicile“, ein hochangesagter Jazzclub betrieben wurde. Klaus Doldinger oder Erich Mangelsdorff erinnern sich wahrscheinlich noch an diesen Club.
Kein Reiseführer
So, jetzt einmal genug mit den Beispielen. Theoretisch kann man das Buch von der ersten bis zur letzten Seite durchlesen. Oder man benutzt es als informatives und unterhaltsames Nachschlagewerk. An letzteres habe ich mich gehalten und ich denke, die meisten Leser taten es mir gleich.
Das Buch ist definitiv kein Reiseführer für Leute, die gerade mal zwei oder drei Tage München auf dem Programm haben. Hier geht es zu Plätzen abseits der Touristenpfade! Man sollte sich schon ein klein wenig auskennen, um etwas damit anfangen zu können. Schon eher finde ich es interessant für Leute, die öfter hierherkommen, für Leute meinesgleichen („Zuagroaste“) bis hin zu Alteingesessenen. Ich erlaube mir ein Urteil und behaupte, dass auch ein echtes »Münchener Kindl« mit dem Buch noch einiges Neue entdecken kann.
Ausblick
In Buchhandlungen sowie im Internet habe ich mich näher über die Buchreihe informiert. Die Bücher gibt es mittlerweile über viele deutsche und europäische Städte und Regionen. Nicht nur über Metropolen wie München oder Berlin. Auch über kleinere Städte wie Würzburg oder Erfurt sowie Gegenden wie das Münsterland und die schwäbische Alb. Einige der Bände gibt es auch in mehreren Sprachen. Daneben auch einige Bände über verschiedene regionale Küchen oder Weine !
Vor wenigen Tagen habe ich mir die beiden Bände „111 Orte in München, die man gesehen haben muss“, vom selben Autor zugelegt. Darüber möchte ich mich in nächster Zeit in einem extra Artikel äußern. Einen weiteren Artikel werde ich auch über ein Buch schreiben, das mitunter noch wesentlich schrägere Geheimtipps über München gibt. Lasst euch überraschen!
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Geri ist leidenschaftlicher Fotograf mit einem intensiven Blick für verborgene Details. Er arbeitet ausschließlich digital und zeigt seine Arbeiten u.a. auch bei 24notes.
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